Aufbau und Inhalt der Kurse

Dies ist nun ein ganz schwieriges Thema, denn jede Universität setzt andere Prioritäten. Wir wollen hier beispielhaft den Aufbau eines zweisemestrigen (=einjährigen) Uni-Kurses erläutern.
An den Universitäten führen häufig zwei Kurse zum (Kleinen) Latinum. Es gibt aber auch Unis, die drei Kurse vorschreiben.

Bei zwei Kursen werden im ersten Kurs die Grundlagen für die Beherrschung der lateinischen Sprache gelegt. Das heißt: Formenlehre, vor allem Deklinationen und Konjugationen; Kasuslehre - Umgang mit den lateinischen Kasus (Fällen) und ihren semantischen Funktionen; dazu Satzlehre - grundlegender Aufbau eines lateinischen Satzes. Unumgänglich: Aktive Beherrschung des notwendigen Wortschatzes (die Anzahl der Vokabeln für den Anfängerkurs liegt zwischen 1200 und 1500, je nach Vorgaben des Lehrplanes). Dazu kommt das Einprägen der sogenannten Stammformen. Stammformen sind temporale Grundformen, anhand derer man sich weitere Tempora (Zeiten) erschließen kann.

Verwendete Bücher:

Im allgemeinen wird ein bestimmtes Übungsbuch durchgearbeitet. Originaltexte werden hier in der Regel noch nicht gelesen. Ein solcher Kurs hat im Wintersemester etwa 60-70 Stunden Umfang, das bedeutet vier bis fünf Stunden Unterricht pro Woche.

 
Vorsicht!
Hinweis:
Die angegebenen vier bis fünf Stunden pro Woche Stunden bedeuten nur die tatsächliche Arbeit im Kurs! Bei normaler Begabung muss man mit etwa vier bis sechs Stunden zusätzlicher Arbeit pro Sitzung rechnen! Es müssen vor allem Wörter, Formen und Grammatik gelernt und die Hausarbeiten für die nächste Sitzung vorbereitet werden. Das bedeutet: Weitere Uni-Veranstaltungen, z.B. Seminare sind ausgeschlossen! Jegliche „Fremdarbeit“ (auch Arbeit am Wochenende!)  gefährdet das Kursziel. Es sei auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass wegen des extrem komprimierten Stoffes bereits ein- oder zweimaliges Fehlen unweigerlich dazu führt, dass man den Anschluss verliert und damit den Kurs aufgeben muss. Die Kursleiter können aufgrund der extrem begrenzten Zeit den Stoff nur einmal durchnehmen! (Der Stoff, den man in einem solchen Kurs durcharbeitet, entspricht in etwa dem, was man im schulischen „Latein-1-Zug“ in drei Jahren (Klasse 5-7) durchnimmt. (Im „Latein-2-Zug“ sind es im wesentlichen die Klassen 8 und 9, die diesen Stoff behandeln).

 

Achtung!Hinweis:

Wir warnen ausdrücklich davor, von früheren Kursteilnehmern gebrauchte Übungsbücher, Grammatiken, Texte etc. zu kaufen. Dies geht regelmäßig ins Auge. Laufend kommen neue (und leider stark veränderte!) Auflagen dieser Bücher heraus. Das Ergebnis: Man sitzt auf einem teuer erworbenen Paket gebrauchter Bücher, die man nicht verwenden kann, weil die anderen Teilnehmer die neueste Auflage haben. Also Vorsicht - möglichst immer die neueste Ausgabe besorgen! (Aus gegebenen Anlass ...)

 

Der Charakter der Sitzungen ist stark von den örtlichen Vorgaben abhängig. Allgemein kann man jedoch festhalten, dass die meisten Dozenten trotz des immensen Drucks sich darum bemühen, zumindest ein wenig von der antiken Kultur zu vermitteln. Dies geschieht natürlich auch bei den Privatinstituten.

Im „Anfängerkurs“ - oder wie auch immer er genannt wird - werden normalerweise zwei Klausuren geschrieben, eine Mittel- und eine Abschlussklausur. Man sollte diese Klausuren keinesfalls auf die leichte Schulter nehmen. In den meisten Fällen muss man nämlich wenigstens die zweite Klausur bestehen, um in den Fortgeschrittenenkurs aufgenommen zu werden. (Einige Unis bestehen darauf, dass beide Klausuren bestanden werden).

Die (bestandene) Abschlussklausur muss häufig dem Dozenten des Folgekurses vorgelegt werden, sonst wird man in diesen Kurs nicht aufgenommen. Einige (nicht alle!) Unis bieten am Anfang des folgenden Semesters eine „Wiederholungsklausur“ an, um den bei der Erstklausur Durchgefallenen doch noch die Aufnahme in den nächsten Kurs zu ermöglichen. Wird jedoch auch diese Prüfung „versiebt“, muss der gesamte Anfängerkurs wiederholt werden. Dies gilt natürlich auch, wenn die Uni keine Wiederholungsklausur anbietet. Die Unis sind übrigens nicht dazu verpflichtet, solche Wiederholungsklausuren anzubieten; diese „Rettungsklausuren“ sind rein freiwilliger Natur.

 

Achtung!Hinweis: 

Da man bei den Klausuren nie genau weiß, was auf einen zukommt, sollte man unbedingt während des Kurses auf diese hinarbeiten. Wir können aus eigener Erfahrung nur ganz dringend dazu raten, alles zu tun, um diese Klausuren zu bestehen. Das heißt: Möglichst keine Seminare/Übungen in anderen Fächern besuchen, konzentriert lernen (2 Unterrichtsstunden an der Uni entsprechen mindestens 4-6 Stunden häuslicher Arbeit). Bei Problemen mit dem Stoff sofort den Dozenten um Rat fragen. Die meisten Kursleiter kennen die Probleme und sind sehr umgänglich.  Für die Kursteilnehmer werden meistens spezielle Sprechstunden angeboten.

 

Und: Wenn irgend möglich: KEINE ARBEIT außerhalb der Uni! Auch wenn viele Studis gezwungen sind, Geld zu verdienen, macht dies JEDEN Unterrichtserfolg kaputt!

 

Und wie geht es nach dem Anfängerkurs weiter?

 

Im Fortgeschrittenenkurs werden normalerweise die Autoren gelesen, die für das (Kleine) Latinum maßgeblich sind. Oft ist das Cicero, in vielen Fällen werden seine „Reden gegen Verres“ (Orationes in Verrem) durchgearbeitet. Allerdings ist dies von Bundesland und Universität abhängig. Wir wissen von Universitäten, die im Kleinen Latinum den sehr viel schwereren Seneca (vor allem seine Epistulae morales ad Lucilium) voraussetzen.

Grammatik wird nun nicht mehr systematisch, sondern fallweise durchgearbeitet. Das bedeutet: Fällt dem Dozenten auf, dass beispielsweise der AcI (wichtige grammatikalische Erscheinung) fehlt, so wird er diesen nochmals durcharbeiten (genügend Zeit vorausgesetzt).

Intensiv werden in diesem Kurs die sogenannten Stilmittel behandelt, die vor allem bei der Interpretation der Texte eine Rolle spielen. Ein guter Dozent sollte in diesem Zusammenhang seinen Kursteilnehmern eine ausführliche Liste der sogenannten Tropen und Figuren überlassen.

 Nach dem Ende dieses Kurses schließt sich entweder die Latinumsprüfung an oder man besucht einen oder zwei Kurse, die zum „Großen Latinum“ führen. Dauer im Regelfall auch hier: Jeweils ein bis zwei Semester.

 

 
Achtung!Hinweis: 

Ganz aktuell sind Pläne verschiedener Bundesländer zur Verschärfung des (Kleinen) Latinums. So werden z.B. Baden-Württemberg schon seit einiger Zeit neben den Orationes in Verrem weitere Cicero-Reden bei der Prüfung verlangt. Dies sollte man bei der Planung des Stoffpensums unbedingt berücksichtigen!

 

Allgemein kann man sagen, dass sich eine intensive Mitarbeit in den Kursen so gut wie immer auszahlt. Gewinnen die Dozenten den Eindruck, dass man sich ernsthaft mit der Materie beschäftigt, so sind sie später oft bereit, bei Prüfungen ein Auge zuzudrücken. Wer jedoch dem Kursleiter ständig direkt oder indirekt klar macht, dass er von Latein nichts hält, dürfte später kaum Gnade erwarten können. Und wer meint, hier schauspielern und Interesse für Latein vortäuschen zu können, wird in aller Regel eine böse Überraschung erleben. Die Dozenten haben meistens viel Erfahrung und durchschauen solche Leute sehr schnell. Bitte klicken Sie hier, um zum Artikel "Kurse zum Großen Latinum" zu gelangen!

   
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