Altsprachliche Gymnasien haben immer wieder mit Vorurteilen zu kämpfen: Die Schüler würden nur eine moderne Fremdsprache (i.d.R. Englisch) lernen, die Naturwissenschaften kämen viel zu kurz und überhaupt seien altsprachliche Schulen überkommene Relikte aus längst vergangenen Zeiten. Daß diese Vorurteile völlig überholt sind, ist lange bekannt. So bieten nahezu alle altsprachlichen Gymnasien in Deutschland ein äußerst umfangreiches Angebot an modernen Fremdsprachen zusätzlich zum Griechischunterricht, so daß Absolventen dieser Schulen mit schöner Regelmäßigkeit mehr moderne Fremdsprachen beherrschen als die Absolventen neusprachlicher Gymnasien. Ebenso wird fast überall größter Wert auf umfangreiche naturwissenschaftliche Kenntnisse gelegt, so dass immer wieder Absolventen altsprachlicher Gymnasien an naturwissenschaftlich ausgerichteten Universitäten (z.B. RWTH Aachen, TU Dresden, KIT Karlsruhe, ehemals TU) Spitzenergebnisse erzielen.

Der anspruchsvolle naturwissenschaftliche Unterricht an altsprachlichen Gymnasien hat vor kurzem eine eindrucksvolle Bestätigung erhalten.

Wie erst jetzt bekannt wurde, hat das altsprachliche Max-Planck-Gymnasium in Göttingen in Zusammenarbeit mit dem Institut für Astrophysik der Georg-August Universität Göttingen bereits im September 2010 den mit 50.000 Euro dotierten Hauptpreis «Schule trifft Wissenschaft» der Robert-Bosch-Stiftung gewonnen.

Das Max-Planck-Gymnasium Göttingen ist eine höchst angesehene Schule, die zahlreiche bekannte Alumni aufweisen kann, darunter den ehemaligen SPD-Vorsitzenden Hans-Jochen Vogel, den Altphilologen Eckart Mensching und den Schriftsteller Benjamin von Stuckrad-Barre.

Was hat es nun mit diesem Preis auf sich? Bereits in der Astronomy & Astrophysics - Ausgabe vom November 2009 war folgende Pressemitteilung enthalten:

Zitat:

«German high-school students involved in an astronomical research project on cataclysmic variable stars»

In der Pressemitteilung selbst ist Erstaunliches zu lesen:

«Astronomy & Astrophysics publishes the results of an unusual research project, by a team involving German high-school students. They present an accurate, long-term ephemeris of the cataclysmic variable EK Ursae Majoris, obtained using a professional remotely-controlled telescope.

This week, Astronomy & Astrophysics publishes a somewhat unusual research article because it is co-authored by German high-school students. Led by astronomer Klaus Beuermann (University of Göttingen, Germany), the team [...] involves a secondary school physics teacher, three students from two high schools in Göttingen [...], and three professional astronomers. The team made use of a remotely-controlled 1.2-meter telescope in Texas [...], funded by the Alfried Krupp von Bohlen und Halbach Foundation for the expressed purpose of making such resources available to schools as well as professional astronomers. The students, S. Paik, A.-M. Ploch, and J. Zachmann, and their teacher, J. Diese, observed the light variations of the faint (19th magnitude) cataclysmic variable EK Ursae Majoris (EK UMa) over two months. [...]
The pupils were involved in the various tasks of the research project: observations, analysis of the CCD images, production and interpretation of light curves, and access to the archival satellite data. They participated in all the steps of a real research program, from initial observations to the publication process, and the result they obtained bears scientific significance. Team leader K. Beuermann concluded: "Although it is fun to perform one's own remote observations with a professional telescope from the comfort of a normal school classroom, it is even more satisfying to be involved in a project that provides new and publishable results rather than to perform experiments with predictable outcomes."» (Zitat Ende)

Schüler des Max-Planck-Gymnasiums hatten zusammen mit ihrem Physiklehrer sowie Wissenschaftlern mit Hilfe eines ferngesteuerten 1,2 Meter-Teleskops in Texas das Doppelsternsystem EK Ursae Majoris beobachtet. Es gelang ihnen der Nachweis, daß das Doppelsternsystem über einen Zeitraum von 30 Jahren keine Änderungen in der Umlaufzeit zeigt, wie sie Astronomen aus Beobachtungen anderer Sterne bekannt sind.

Die Leistung der Schüler wurde von Prof. Neher, Vorsitzender der Jury und Nobelpreisträger, entsprechend gewürdigt. Im Einzelnen führte er aus:

Das Projekt sei ein ungewöhnlich erfolgreiches Projekt für die Zusammenarbeit zwischen Schule und Wissenschaft. Die Schüler erhielten einen hervorragenden Einblick in das Gebiet der Astrophysik und leisteten damit einen echten Beitrag zur Forschung. Das Projekt überzeuge nicht nur durch außergewöhnliche wissenschaftliche Leistungen der Schüler. Es sei auch dazu geeignet, Schüler schon früh an die Naturwissenschaften heranzuführen.

Jüngsten Presseberichten zufolge hat das astrophysikalische Projekt der Schule mittlerweile offenbar auch einen unsichtbaren Planeten entdeckt.

Vielleicht ist dieser Bericht dafür geeignet, einigen Kritikern, die mit veralteten Argumenten Sturm gegen altsprachliche Gymnasien laufen, den Wind aus den Segeln zu nehmen. 

Weitere Informationen:

Astronomy & Astrophysics (Pressemitteilung)

A long-term optical and X-ray ephemeris of the polar EK Ursae Majoris (Wissenschaftliche Publikation des Projekts) (PDF)

Pressemitteilung Robert-Bosch-Stiftung

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(cip-w/IID-Bereichsgruppe Göttingen 23.03.2011)

   
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