Ratio

Informationen zum Latinum
Ein kleiner Ratgeber

Zu Beginn eines jeden Semesters kommt es an Universitäten in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu regelrechten Tragödien, wenn die neuen Studenten mit ihrem Studium beginnen wollen und feststellen müssen, dass zunächst einmal gar nichts geht. Für viele Studienfächer sind Zusatzqualifikationen vorgeschrieben, die nicht im Abiturzeugnis enthalten sind. So ist beispielsweise einer breiten Öffentlichkeit völlig unbekannt, dass als Voraussetzung für zahlreiche geisteswissenschaftliche Studienfächer nach wie vor Latein zwingend vorgeschrieben ist. Dies gilt keineswegs nur für Theologie und Archäologie, wie viele meinen! Zu den geisteswissenschaftlichen Fächern gehören beispielsweise auch die Fremdsprachen! Die Folge ist nun, dass die neuen Studenten ohne den Nachweis des sogenannten Latinums sich nicht an der Universität einschreiben dürfen oder später nicht zu Prüfungen zugelassen werden. In den folgenden eineinhalb bis zwei Jahren müssen nun Kurse besucht werden, die mit einer nicht ganz einfachen staatlichen Prüfung abschließen. Diese Kurse werden oft unter äußerst widrigen Umständen abgehalten und viele Teilnehmer brechen sie frustriert ab. Damit ist in der Regel aber auch das Studium beendet, denn die Studienordnungen der betreffenden Fächer lassen ein Fachstudium ohne Lateinkenntnisse nicht zu. Die Studenten werden schlichtweg exmatrikuliert, d.h. gezwungen, die Universität ohne Abschluss zu verlassen. Um zukünftigen Studentengenerationen ein solches Schicksal zu ersparen, haben wir, d.h. betroffene Studenten, die an der Schule kein Latein hatten und es an der Universität nachlernen mussten, uns entschlossen, diesen Ratgeber zu erstellen. Unser ausdrücklicher Dank geht an die „Projektgruppe Latinum/Graecum“ der Arbeitsgemeinschaft Altertumswissenschaften, die sich seit längerer Zeit in diesem Bereich engagiert und den Artikel auch angeregt hat. Bitte hier klicken, um zum Artikel "Latinum: Begriffsklärung" zu gelangen!

Ergänzung zur Auflage 5.2.9 (23. April 2016):

Wir erhielten nach der Erstveröffentlichung des Ratgebers im November 1998 zahlreiche positive Kritiken und Anregungen, über die wir uns sehr gefreut haben und werden alle Hinweise, die zur weiteren Verbesserung des Ratgebers führen, sehr genau prüfen und nach Möglichkeit bei der nächsten Textrevision berücksichtigen. Allen, die uns geschrieben bzw. lokale Besonderheiten beim Latinum mitgeteilt haben, möchten wir sehr herzlich danken! Unser besonderer Dank geht an alle Universitäten und außeruniversitären Einrichtungen, die auf ihren Internetseiten Links zum Latinumratgeber gesetzt haben!

In der aktuellen Ausgabe wurde zahlreiche Änderungen und Ergänzungen eingebracht, die wir von den Studienberatungsstellen der Universitäten sowie von Studierenden vieler Fächer übermittelt bekamen. Vielen Dank für die Mitarbeit!

Derzeit (April 2016) gibt es erhebliche Veränderungen:

• Die Latinumskurse kosten an immer mehr Universitäten Geld.

• In den meisten Bundesländern verschärfen sich die Anforderungen für das Latinum. Die früher in den Prüfungen oft gelesenen Cicero-Reden gegen Verres werden immer weniger verwendet. An ihre Stelle sollen anspruchsvollere Werke Ciceros oder anderer Autoren treten.

• Während in den einfachen Bachelor-Studiengängen das Latinum kaum vorkommt, wurde es in nicht wenigen Master-Studiengängen neu eingeführt. Die vor einigen Jahren kursierende Information, das Latinum werde für die Masterstudiengänge abgeschafft, hat sich nicht bewahrheitet. Ganz im Gegenteil: Für das Masterstudium wurde sogar die Latinumspflicht in Studiengängen wieder eingeführt, bei denen sie erst vor wenigen Jahren abgeschafft worden war.

• Bemerkenswert - und auch für uns überraschend - ist die Tatsache, dass eine Reihe von Universitäten bei Studienfächern mit Numerus Clausus (v.a. Medizin, Zahnmedizin und Pharmazie) Bewerbern, die Latein oder Griechisch bis zum Abitur durchgehalten haben, einen Bonus gewährt. Dies bedeutet, dass solche Bewerber leichter einen Studienplatz bekommen können. 

Weitere Informationen werden voraussichtlich im Sommer oder Herbst verfügbar sein.

 









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Wir haben Latein nachgeholt -
ein Erlebnisbericht Betroffener

 

Hallo, liebe Leser,

wir haben noch etwas ganz Spezielles für Sie. Wir, das sind

• Christina Hofheinz, Anglistik-, Germanistik- und Sportstudentin,

• Hartmut Müller, Student der Philosophie, Geschichte und Allgemeinen Sprachwissenschaft,

• Julia Takano, sie studiert Musikwissenschaft, Kunstgeschichte und Romanistik,

sowie

• Andreas Deigelsberger mit den Studienfächern Geschichte, Sport und Deutsch.

Wir gehören zu der großen Gruppe von Studierenden, in der Schule kein Lateinunterricht hatten und deshalb an der Uni die Lateinkenntnisse erwerben mussten. Wir wollen Ihnen über unsere Erlebnisse berichten, damit nachfolgende Generationen nicht in eine ähnliche Lage wie wir geraten.

Was uns besonders an der ganzen Geschichte ärgert, ist die Tatsache, dass wir allesamt zu Schulzeiten von unseren Lehrern völlig falsch beraten wurden. Mit Ausnahme von Julia, die eine Spezialschule besucht hat, hätten wir ohne Ausnahme Latein an der Schule belegen und dort unser Latinum bekommen können.

Christina beispielsweise, die Deutsch und Englisch als Schul-Leistungskurse belegt hat, erhielt von ihrem Englisch-LK-Lehrer die Antwort, für ein Englischstudium sei grundsätzlich kein Latinum erforderlich. Diese Behauptung ist völlig falsch und besagter Lehrer gab mittlerweile auch zu, seinerzeit die Unwahrheit gesagt zu haben. Nur, was hatte er davon???

Noch ärgerlicher verlief es bei Hartmut: Er befragte sogar den Lateinlehrer seines kleinen Bruders und bekam die Auskunft für Geschichte und Philosophie sei schon lange kein Latein mehr vorgeschrieben. Dümmer geht es wirklich nicht. Wenn selbst ein Lateinlehrer nicht mehr Bescheid weiß, wer dann eigentlich? Gerade bei Geschichte und Philosophie ist dies besonders ärgerlich, da einige Universitäten für bestimmte Seminare auch Griechischkenntnisse fordern.

Julia und Andreas absolvierten eine Studienberatung des Arbeitsamtes, dort gab es wenigstens etwas bessere Auskünfte, aber dass für Kunstgeschichte und Musikwissenschaft Latein zum großen Teil vorgeschrieben ist, wussten auch die Berater des Arbeitsamtes nicht.

Julia, die bereits in den Sommersemesterferien im Uni-Institut einige Dinge erledigen wollte, erlebte wohl den Schock ihres Lebens, als ihr eine fortgeschrittene Studentin mitteilte, dass sie für Anglistik im Magister-Studiengang (M.A.) unbedingt das Latinum nachweisen müsse.

Bei Andreas kam der Schock etwas später, nämlich in der Uni-Zulassungsstelle, wo eine freundliche Dame das Abiturzeugnis durchging und noch freundlicher nach dem Latinum fragte. „Ja, wenn Sie kein Latein haben, können wir Sie für Geschichte und Deutsch nicht einschreiben“, diesen Satz dürfte Andreas wohl sein Leben lang nicht mehr vergessen. Nach langem Hin- und Her erhielt er schließlich eine Sonderzulassung für ein Jahr, um an der Uni wenigstens Latein nachholen zu können.

Christina und Andreas dagegen erfuhren von ihrem Glück erst bei der obligatorischen Fachstudienberatung im Historischen bzw. Germanistischen Seminar. Dort wurde ihnen klipp und klar gesagt, dass sie spätestens bis zur Akademischen Zwischenprüfung die Lateinprüfung nachholen müssten. Ohne Latinum würden sie erst gar nicht zur Prüfung zugelassen. Hübsche Überraschung, nicht wahr?

Immerhin wurden sie aber von den Professoren auf die verschiedenen Möglichkeiten hingewiesen, wie man das Latinum nachholen könne.

• Universitätskurse
• Kurse an Privatschulen (wobei es im konkreten Fall sogar zwei mögliche Privateinrichtungen gab).

Nach dem ersten Schock gleich ein zweiter: Wir hatten uns alle dazu entschlossen, die Lateinkurse an der Uni zu belegen. Diese wurden von dem zur Universität gehörenden Institut für Klassische Philologie angeboten. Als wir dahin kamen, mussten wir feststellen, dass die Anmeldelisten offenbar schon Wochen zuvor ausgehängt worden waren. Keine Liste, auf der nicht bereits 70 und mehr Namen standen! Einige waren wegen Überfüllung bereits gesperrt. Was nun? Ohne Eintrag konnte man die Kurse nicht besuchen.

Es blieb uns nichts anderes übrig, als uns zu den völlig überfüllten Kursen anzumelden. Die Anfängerkurse fanden zweimal in der Woche je zwei Stunden statt. Als wir uns wenige Tage später in dem betreffenden Uni-Hörsaal trafen, mussten wir feststellen, dass sich weit mehr als die angemeldeten Teilnehmer eingefunden hatten. Insgesamt waren unserer Schätzung nach um die 100 Studierende anwesend.

Der Dozent, der im übrigen sehr nett war, stellte nach der Begrüßung sofort klar, dass einiges auf uns zukommen werde. Er nannte uns die benötigten Lehrbücher, Grammatiken und Wortkunden und forderte uns auf, diese schnellstmöglich zu besorgen. Dabei erwies es sich als vorteilhaft, dass das betreffende Uni-Institut bereits die Buchhändler darauf hingewiesen hatte, dass mehrere hundert Bestellungen bestimmter Schulbücher eintreffen würden. Die Buchhandlungen waren jedenfalls auf unseren Ansturm vorbereitet.

Wir dachten zunächst, der Kursleiter sei nicht ganz bei Trost, als er erklärte, wir müssten pro Tag zusätzlich zu den Sitzungen etwa sechs Stunden häuslicher Arbeit einplanen.

Leider hat sich diese Aussage voll bewahrheitet. Im Laufe des Semesters ging diese Arbeitsbelastung sogar noch deutlich nach oben und einige saßen 8 - 9 Stunden täglich über ihren Aufgaben.

Die Sitzungen liefen meistens dergestalt ab, dass wir ein bestimmtes grammatikalisches Problem behandelten und danach in die Übersetzung lateinischer Einzelsätze eingeweiht wurden. Es versteht sich von selbst, dass Fragen an den Dozenten nur in Ausnahmefällen möglich waren. Dennoch möchten wir allen unseren Lateindozenten ein sehr großes Kompliment machen. Trotz der angespannten Situation und des immensen Zeitdrucks bemühten sie sich sehr, auf unsere Probleme einzugehen und uns ein wenig an der antiken Kultur teilhaben zu lassen. 

Hausaufgaben bekamen wir sehr viele auf. Zunächst war der neue Grammatikstoff zu lernen. Davon abgeleitet mussten wir von Sitzung zu Sitzung zahlreiche Übungen durcharbeiten und Texte übersetzen. Für viele der Teilnehmer waren die Vokabeln das Schlimmste . Am Schluss des Anfängerkurses wird die Kenntnis von 1600 bis 1800 Vokabeln vorausgesetzt. Dies bedeutet, dass von Sitzung zu Sitzung mindestens 40 Vokabeln gelernt werden müssen. Dazu kommen in einem späteren Stadium die sogenannten Stammzeiten, die vor allem bei unregelmäßigen Verben von größter Bedeutung sind. Leider erlagen viele der Teilnehmer dem Irrtum, man müsse die Vokabeln nur einmal lernen. Richtig ist vielmehr, dass die Vokabeln, wie bei modernen Fremdsprachen auch, häufig wiederholt werden müssen.

Klausuren wurden zwei geschrieben, eine Mittel- und eine Schlussklausur. Die Noten beider wurden zusammengerechnet und am Ende musste man mindestens „4“ (ausreichend) erreicht haben. Ohne diese Note wurde man im Folgekurs nicht aufgenommen.

Höchst interessant war im übrigen die enorme Fluktuation. Nach der Zwischenklausur war die Teilnehmerzahl um rund 1/3 geschrumpft, die Abschlussklausur traten dann gerade mal 50 % der ursprünglich Angetretenen an. Was aus dem Rest wurde, entzieht sich unserer Kenntnis. Die Abschlussklausur selbst war sehr anspruchsvoll und wer im Kurs nicht gut mitgearbeitet hatte, konnte sie vergessen.

In den folgenden Semesterferien gab es nur sehr wenig Pause; wir alle mussten den im Anfängerkurs behandelten Stoff gründlich wiederholen. (Zwei bis drei Wochen Erholungsurlaub waren allerdings schon drin).

Im nächsten Semester folgte der Fortgeschrittenenkurs, den nur die besuchen durften, die im ersten Kurs mindestens „4“ erreicht hatten. Für alle anderen gab es die Möglichkeit einer „Nachklausur“. Wer diese bestand, durfte ebenfalls den Kurs II besuchen.

In diesem Kurs lag der Schwerpunkt auf Übersetzen. Behandelt wurden verschiedene Reden Ciceros. Der Schwerpunkt lag auf den „Orationes in C. Verrem“. Wir durften unseren Wortschatz noch einmal erheblich erweitern, da das Vokabular des Übungsbuches vom Anfängerkurs natürlich nicht ausreichte. Grammatik wurde jetzt entsprechend ihrem Vorkommen in der Lektüre behandelt. Dazu kam jetzt reichlich Interpretation sowie die Behandlung der bei Cicero häufig vorkommenden Stilmittel. Arbeitszeit auch in diesem Kurs: 6-8 Stunden täglich.

Auch hier gab es wieder zwei Klausuren, deren Gesamtergebnis mindestens „4“ sein musste. Diese „4“ war übrigens auch die Voraussetzung, um über die Universität zur Prüfung angemeldet zu werden. Der interessantere der beiden Kurse war zweifellos dieser Kurs. Während es im ersten Kurs vorwiegend Grammatik und Vokabeln zu lernen gab (siehe oben !), erhielten die Teilnehmer hier einen sehr guten Einblick in die spezifisch römische Kultur.

Gegen Ende des Kurses verteilte der Kursleiter an diejenigen, die den Kurs mit wenigstens der Note „4“ abgeschlossen hatten, die Anmeldebögen für die Abschlussprüfung. Wer wollte, konnte sich über die Uni anmelden und wurde dann in der mündlichen Prüfung vom Kursleiter geprüft. Alle anderen konnten sich auf eigenes Risiko selbst anmelden. Diese mussten sich dann von fremden Prüfern auf den Zahn fühlen lassen.

Was soll man zur schriftlichen Prüfung sagen? Sie war sehr schwer und dies, obwohl wir ein Wörterbuch verwenden durften. Bei der Prüfung zeigte es sich, dass dieses Wörterbuch nur bei Spezialausdrücken oder gelegentlichen „Blackouts“ von Nutzen ist. 95% der Wörter muss man im Gedächtnis haben, sonst verliert man beim Nachschlagen extrem viel Zeit und wird mit der Klausur nicht fertig. 30-40% der mit uns zur Prüfung Angetretenen fiel beim schriftlichen Examen durch und davon mehr als die Hälfte, weil diese Teilnehmer zu lange im Wörterbuch suchten.

Bei der mündlichen Prüfung durfte man das Wörterbuch erst gar nicht verwenden. Hier wurde man am Tag der Prüfung in einen Raum geführt, bekam seinen Text, der aus etwa 55-70 Wörtern bestand und durfte diesen 15 Minuten unter Aufsicht, aber ohne Wörterbuch bzw. sonstige Hilfsmittel vorbereiten.

Die Prüfung dauerte etwa 20 Minuten und war für viele schlimm. Die Prüfungskommission (bestehend aus drei Damen und Herren) war auch sehr höflich, konnte uns aber in vielen Fällen nicht helfen, da jede direkte Hilfe von Seiten der Prüfer als Fehler gewertet werden muss. Zunächst mussten wir übersetzen, dann Fragen zur Grammatik zum Stil und Text beantworten. Das war für viele nicht leicht!

Wir vier haben jetzt alle Latinumsprüfungen hinter uns; Hartmut und Julia legten sogar ein Semester später die viel schwerere Prüfung zum Großen Latinum erfolgreich ab.

Aber vielleicht verstehen Sie, liebe Leser, uns jetzt etwas besser, wenn wir allen, die ein geisteswissenschaftliches Fach studieren wollen, dringend raten, Latein in der Schule zu lernen! Die Uni- und Privatkurse können nur ein Notbehelf sein - mit entsprechenden Folgen. Und Latein ist für zahlreiche Fächer unbedingt notwendig. Es bringt für das Fachstudium großen Nutzen!

Lassen Sie es sich gesagt sein: Latein lernt man an der Schule sehr viel bequemer und einfacher als an der Uni. Machen Sie nicht den gleichen Fehler wie wir und erwerben Sie die notwendigen Lateinkenntnisse an der Schule. Es lohnt sich in jedem Fall!

Mit freundlichen Grüßen
Christina Hofheinz, Hartmut Müller, Julia Takano, Andreas Deigelsberger


Der Ratgeber zum Latinum wurde erstellt von

• Andreas Jacoby, Stud. der Germanistik und Anglistik

• Michaela Barth-Sonnenbach, Stud. der Romanistik (Frz.) und Philosophie

• Reinhard Krannheiser, Stud. der Slawistik, Philosophie und Sportwissenschaften

• Claudia Fischer-Mecht, Stud. der Romanistik (Frz./It.) und Anglistik

• Jürgen Freitag, Stud. der Anglistik, Geschichtswissenschaften und Biologie

• Isabell von Krock, Stud. der Kunstgeschichte, Sprachwissenschaft und Germanistik

in Zusammenarbeit mit der Projektgruppe Latinum/Graecum der Arbeitsgemeinschaft Altertumswissenschaften.

Der Erlebnisbericht wurde zusammengestellt von

• Christina Hofheinz, Anglistik-, Germanistik- und Sportstudentin,

• Hartmut Müller, Student der Philosophie, Geschichte und Allgemeinen Sprachwissenschaft,

• Julia Takano, sie studiert Musikwissenschaft, Kunstgeschichte und Romanistik,

sowie

• Andreas Deigelsberger mit den Studienfächern Geschichte, Sport und Deutsch.


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Wir danken allen, die sich in irgendeiner Form an diesem Projekt beteiligt haben, vor allem den zahllosen Uni-Dozenten, Studienberatern und Vertretern von Schul- bzw. Uni-Behörden, die unsere Arbeit maßgeblich unterstützten.

Was ist eigentlich unter dem Begriff „Latinum“ zu verstehen? Latinum ist die Kurzform für „examen Latinum“, also „Lateinische Prüfung“. Allgemein versteht man unter „Latinum“ den Kenntnisstand, den ein Schüler nach einem Lateinunterricht bestimmten Umfangs haben sollte.

Früher unterschied man nur „Kleines Latinum“ und „Großes Latinum“. „Kleines Latinum“ bedeutete hauptsächlich Kenntnisse auf dem Niveau „Caesar, Bellum Gallicum“, beim „Großen Latinum“ waren die Ansprüche sehr viel höher. Meistens bezog sich hier die Prüfung auf die philosophischen bzw. staatstheoretischen Schriften Ciceros, in nicht wenigen Fällen auf römische Poesie. Vor allem wurde Vergil gelesen. Dessen Aeneis spielt u.a. bei den Latinumsprüfungen in der Schweiz auch heute noch eine bedeutende Rolle.

Derzeit ist das Thema „Latinum“ völlig verworren. Jedes Bundesland, ja sogar beinahe jede Universität kocht hier ihr eigenes Süppchen. Man unterscheidet heute folgende Latinumsformen:

• Lateinkenntnisse
• Latinum
• Kleines Latinum
• Großes Latinum (Hinweis beachten!)

Lateinkenntnisse:

Einige Bundesländer haben schon vor Jahren den Begriff „Latinum“ abgeschafft und sprechen nur noch von „Lateinkenntnissen“. Die Anforderungen sind jedoch an fast jeder Uni verschieden. Teilweise liegen die „Lateinkenntnisse“ auf dem Niveau des „Kleinen Latinum“; in nicht wenigen Fällen jedoch sehr viel höher.

Kleines Latinum:
Lateinkenntnisse, die sich früher im Bereich „Caesar, Bellum Gallicum“ bewegten, heute aber eher im Bereich „Cicero, Reden“ anzusiedeln sind. Einige Universitäten setzen ein höheres Niveau voraus.

Latinum:
Verschiedenen Institutionen schien der Begriff „Kleines Latinum“ zu minderwertig. Getreu dem Motto „Mehr scheinen als sein“ wurde er abgeschafft und durch den allgemeinen Begriff „Latinum“ ersetzt. Die Anforderungen blieben jedoch fast immer gleich.

Großes Latinum:
Lateinkenntnisse mit erheblich höherem Niveau und strengeren Prüfungen als beim „Kleinen Latinum“. Das Große Latinum wird nicht ohne Grund hier erwähnt. Das Latinum ist definitiv nicht abgeschafft und wird innerhalb der Universitäten für eine ganze Reihe Studiengänge (auch Masterstudiengänge) weiterhin verwendet. Entsprechend werden zur Vorbereitung oft Universitätskurse oder bei Privateinrichtungen entsprechende Veranstaltungen angeboten.

Die Tendenz geht derzeit dahin, Latinum und Großes Latinum zusammenzulegen und nur noch als Latinum zu bezeichnen. Die Anforderungen sind dann aber meistens deutlich höher als beim früheren Latinum/Kleinen Latinum.

Aktuelles Beispiel: Baden-Württemberg

Anforderungen beim Latinum bis vor einiger Zeit: Hauptsächlich Ciceros Reden gegen Verres. Aktuelle Anforderungen: Auch wieder Cicero, aber nun seine Rede "De imperio Cn. Pompei", die bekannten Reden gegen Verres und die Reden gegen Catilina. Achtung: In nächster Zeit gibt es Änderungen bei den Autoren in Baden-Württemberg. Diese werden in nächster Zeit hier eingearbeitet! (Stand: 20.08.2014)

Anforderungen:

Es ist fast unmöglich, zu den Anforderungen generell etwas zu sagen. Man kann allerdings festhalten, dass beim „Kleinen Latinum“ in Deutschland fast keine Caesar-Kenntnisse mehr verlangt werden. Der Grund: Hauptsächlich Änderungen im Bereich der Lehrpläne. Meistens werden Cicero-Reden bearbeitet, es können jedoch aber auch andere Autoren verwendet werden.

Beim „Großen Latinum“ liegt das Hauptaugenmerk auf den Themen Staatstheorie und Römische Philosophie (Cicero, De finibus, De officiis, De re publica, Laelius de amicitia). In einigen Fällen werden Seneca-Kenntnisse verlangt (Epistulae morales ad Lucilium.)

Es ist deutlich zu erkennen, welches Durcheinander im Bereich des „Latinum“ heute herrscht. Daran haben weder die ausgezeichnete Arbeit einer schon vor Jahren eingesetzten Kommission des Deutschen Altphilologenverbandes, noch Vereinbarungen der Kultusminister etwas geändert. Bitte klicken Sie hier, um zum Artikel "Latinum - Für welche Studienfächer?" zu gelangen.

Wir hoffen sehr, dass mit diesem Artikel klar wurde, wie belastend der nachträgliche Erwerb von Lateinkenntnissen an der Universität werden kann. Und wir Betroffenen fragen uns häufig, warum wir nicht den sehr viel bequemeren Weg gewählt und Latein nicht bereits in der Schule gelernt haben.

Nur noch einmal zur Erinnerung: Der Stoff, den man in drei Schuljahren (nämlich von Klasse 5-7) lernt, wird an der Universität auf ein Semester (= maximal 3-4 Monate) zusammengedrängt. (Bei den Privateinrichtungen sogar nur auf 4-6 Wochen!). Es sollte deshalb nicht verwundern, dass bereits in den Uni-Anfängerkursen 50-60 % der Teilnehmer nicht mitkommen und deshalb regelmäßig sogar ihr Studium aufgeben müssen.

Deshalb unser dringender Rat:

Latein sollte man unbedingt in der Schule lernen !
Dort hat man bequem Zeit (mehrere Jahre) und ist nicht dem Wahnsinnsstress an der Uni ausgeliefert.

An der Schule muss man so gut wie nie eine spezielle Abschlussprüfung machen, sondern erhält das Latinum automatisch mit dem Abiturzeugnis, wenn man Latein in gewissem Umfang mit einer bestimmten Note belegt hat. (Diese Abschlussnote muss meistens nicht besser als 4 sein).

Und man setzt sich nicht der drohenden Gefahr aus, sein Studium abbrechen zu müssen, nachdem man womöglich viel Zeit und Geld in Kurse investiert hat!

Wir empfehlen denjenigen, die das nicht glauben, einfach einmal zur nächsten Uni zu gehen und Betroffene zu fragen. Es ist für Außenstehende kaum vorstellbar, was sich hier für Tragödien abspielen.

 

 Und wann sollte man nun tatsächlich Latein lernen?

 

• Am besten ist es, mit Latein in der 5. Klasse (=Sexta) des Gymnasiums zu beginnen. Damit hält man sich alle Möglichkeiten offen. Englisch beginnt zusammen mit Latein (ebenfalls in Klasse 5) und in der 8. Klasse kann man sich für Französisch oder - falls angeboten - für eine andere Fremsprache, z.B. Italienisch, entscheiden. Alternativ kann man an vielen Gymnasien ab der 8. Klasse auch eine mathematisch-naturwissenschaftliche oder musikalische Richtung einschlagen.

• Eine weitere Möglichkeit besteht darin, Latein ab der 6. Klasse zu belegen (in diesem Fall gibt es Englisch ab der 5. Klasse, Französisch oder eine andere Fremdsprache schließt sich dann ab der 8. Klasse an). Diese Sprachkombination ist nicht ganz so gut wie Latein ab der 5. Klasse, kann aber durchaus noch empfohlen werden.

Bitte beachten: Die in den letzten beiden Abschnitten genannten Möglichkeiten gelten für das achtjährige Gymnasium (G8), bei G9 verlief die Sprachenfolge teilweise etwas anders. Lokal sind Abweichungen möglich. 

• Nicht so gut ist Latein als dritte Fremdsprache (ab der 8. Klasse); dennoch ist auch diese Lösung den Latinumskursen an der Uni in jedem Fall vorzuziehen!


Und dann möchten wir ausdrücklich noch auf eine besonders empfehlenswerte Möglichkeit aufmerksam machen:

Es gibt selbstverständlich auch die Möglichkeit, die Sprachenfolge Latein-Englisch-Griechisch zu wählen! Es ist unglaublich, welcher Unfug über diese Sprachenfolge in die Welt gesetzt wird!

Da wird zum Beispiel behauptet, Latein-Englisch-Griechisch sei nicht zu empfehlen, weil man dann (angeblich) nur eine moderne Fremdsprache habe. Zu solchen Behauptungen kann man nur laut ausrufen: „Was für ein Unfug!“

Nahezu alle(!) Gymnasien, an denen es die Sprachenfolge Latein-Englisch-Griechisch gibt, bieten speziell für diese Schüler Unterricht in Französisch, Italienisch oder Spanisch an, manche Schulen auch noch in anderen modernen Fremdsprachen!

 Die Folge: Latein-Englisch-Griechisch-Schüler haben in aller Regel umfangreichere Kentnisse in modernen Fremdsprachen als Schüler ohne Griechischunterricht. Dies ist statistisch belegt, ebenso die Tatsache, dass L-E-Gr-Schüler sehr oft hervorragende Leistungen in modernen Fremdsprachen und in den Naturwissenschaften zeigen. In diesem Zusammenhang sei ausdrücklich auf das Europäische Gymnasium hingewiesen, das es in Baden-Württemberg gibt.

Also: Keine Angst vor Latein-Englisch-Griechisch! Diese Sprachenfolge lohnt sich wirklich! Und bevor man irgendwelchen dümmlichen und falschen Vorurteilen glaubt, sollte man erst einmal zu Schulen gehen, die einen Griechischzug anbieten und sich mit Schülern, Lehrern und Eltern über dieses Thema unterhalten!

   
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